MARKTSOMMERKONZERT 2024

Opernschlager und Raritäten auf dem Marktplatz

Begeisterndes Marktsommerabschlusskonzert des Kulturvereins Holzminden mit dem Göttinger Symphonieorchester

Konzertmeisterin Nathalia Scholz und Dirigent Friedrich Praetorius mit Mitgliedern des Göttinger Symphonieorchesters. Foto: Hans-Jürgen Höna

Ein Hauch von Italien wehte über dem Marktplatz in Holzminden, als das Göttinger Symphonieorchester am Sonntag mit italienischen Klängen mediterranes Flair verbreitete. „Bella Italia“ war das Motto des diesjährigen Höhepunktes des Holzmindener Marktsommers mit Werken italienischer Komponisten oder mit Kompositionen, die von italienischer Musik inspiriert waren.

Auch in diesem Jahr war das Konzert des Göttinger Symphonieorchesters der krönende Abschluss der musikalischen Freiluft-Darbietungen, und auch in diesem Jahr trat der engagierte Kulturverein wieder als Veranstalter auf. Dessen Vorsitzender Karlheinz Klammt begrüßte, nachdem der sechste Schlag der Kirchturmuhr der nahen Lutherkirche verklungen war, die zahlreichen Gäste und Musiker und stellte den neuen Dirigenten Friedrich Praetorius vor. Der junge Künstler war am Sonntag zum ersten Mal in Holzminden. Er ist Preisträger mehrerer Dirigierwettbewerbe und hat bereits mit namhaften Orchestern zusammengearbeitet. Nach Engagements in Weimar und Chemnitz ist er jetzt Kapellmeister an der Deutschen Oper Berlin.

Als ehemaliger Dirigent des Orchestra Sinfonica di Milano Giuseppe Verdi ist es naheliegend, dass er eine besonders intensive Beziehung zum italienischen Fach hat. Diese zeigte sich auch in der Programmgestaltung des Marktsommerkonzertes am Sonntag. Neben populären Schlagern aus italienischen Opern standen Raritäten bedeutender Opernkomponisten.

Am Anfang stand die Ouvertüre zur komischen Oper „Die heimliche Ehe“ von Domenico Cimarosa, einer dramaturgisch und musikalisch perfekt arrangierten Spieloper, die am Tag ihrer Uraufführung in Wien, am 7. Februar 1792 (fast genau zwei Monate nach Mozarts Tod), auf kaiserliche Anordnung komplett wiederholt werden musste. Wer bei „Die Vögel“ an Aristophanes oder Hitchcock dachte, durfte am Sonntag Ottorino Respighi in die Schöpfer eines Werkes mit diesem Titel aufnehmen. Von ihm stammt eine programmmusikalische Suite für kleines Orchester mit dem Originaltitel „Gli uccelli” (deutsch: „Die Vögel“), aus der das Göttinger Symphonieorchester das Preludio sowie die Sätze „La colomba“ („Die Taube“) und „La gallina“ („Die Henne“) spielte, bei denen Friedrich Praetorius eine ornithologisch-musikalische Charakteristik so treffend und nachvollziehbar herausgearbeitet hatte, dass man sich als Zuhörer wie auf einem Hühnerhof fühlte.

Ein weitgehend unbekanntes Frühwerk eines der berühmtesten italienischen Opernkomponisten folgte den gackernden Vögeln: Das „Preludio sinfonico“ aus den Konservatoriumsjahren Giacomo Puccinis, komponiert im Jahre 1876, also noch vor seiner ersten Oper („Le Willis“, 1884), in dem aber schon die für Puccini typischen Kadenzen und Akkorde seiner späteren Werke antizipiert werden und dessen dramatischer Schluss auf seine frühe Wagner-Kenntnis hinweist. Das „Intermezzo sinfonico“ von Pietro Mascagni hat mit der preisgekrönten Oper „Cavalleria rusticana“ musikalisch gar nichts zu tun und dient nur als Bindeglied, um die in der Ausschreibung vorgegebene Einaktigkeit zu wahren (an der Ruggiero Leoncavallo mit seinem „Bajazzo“ im gleichen Wettbewerb gescheitert war), aber die Stimmung dieses Intermezzos passt so exakt zur musikalischen Handlung, dass es nicht zu ersetzen wäre. Das haben auch die Göttinger unter Friedrich Praetorius bewiesen. Die Ouvertüre zur Oper „Semiramide“ inklusive eines rasanten Rossini-Crescendos schloss den ersten Teil der Konzertveranstaltung ab.

Der zweite Teil begann mit dem „Preludio“ zu Giuseppe Verdis „La Traviata“ und dem „Intermezzo“ aus Puccinis „Manon Lescaux“. Danach brachten die Göttinger etwas Bekanntes-Unbekanntes. Das Unbekannte war das „Capriccio sinfonico“, das umfangreichste Orchesterwerk Giacomo Puccinis und zugleich seine Abschlussarbeit am Konservatorium. Unbekannt ist das Werk, weil es so selten gespielt wird, bekannt ist es, weil es mit der kompletten Introduktion zur Oper „La Bohéme“ beginnt. Nach den italienischen Komponisten endete das Konzert mit den italienisch inspirierten Kompositionen von Johann Strauß (Sohn), der Ouvertüre zu „Eine Nacht in Venedig“ folgte der Walzer „Wo die Zitronen blühen“.

Das Göttinger Symphonieorchester zeigte sich an diesem Abend bestens disponiert und spielte höchst ausdrucksvoll unter der Leitung des exakt und umsichtig agierenden Friedrich Praetorius, der auch informativ und amüsant durch das Programm führte. Mehr als 1.500 Besucher des Konzertes, darunter auch zahlreiche auswärtige Gäste, waren vollends begeistert. Nach heftigem Beifall und stehenden Ovationen rundeten „Die Tauben von San Marco“ (ebenfalls von Johann Strauß) als Zugabe das Konzert ab. Es war ein Abend, an dem die klassische Musik Menschen ganz unterschiedlicher musikalischer Vorlieben durch den gemeinsamen Spaß am Zuhören der Orchesterdarbietungen spürbar zusammengebracht hat.